Renewabel Urbanism_Neue Ideen für die Stadt

Unter dem Eindruck des aktuellen Phänomens des globalen Verstädterungsprozesses, stellen wir urbane Planung in den Kontext der erneuerbaren Energieerzeugung. Ziel ist die Implementierung neuer planerischer Wege, Ideen und Lösungen durch gestalterische, experimentelle, künstlerische und soziale Interventionen in den Städten.

Freiraumplanung wird durch energiegenerierende Gestaltungselemente in urbanen Räumen so erweitert, dass die städtischen Bewegungsströme in all ihren Facetten, wie Infrastrukturen, Menschen-, Luft - und Wasserströmungen, etc., selbst zur Energiequelle werden. Überall dort, wo die Stadt in Bewegung ist, wird Energie frei, die durch innovative technische Erfindungen und Gestaltungselemente entweder direkt der Bevölkerung zur Verfügung steht, oder ins Stromnetz eingespeist wird. So produziert die Stadt selbst einen Anteil an Energie, die sie zur eigenen

Funktion nutzen kann.

Diese neue Komponente in der Freiraumplanung beschreibt die Herausforderung und zugleich die Chance, neue Ideen zur direkten Nutzung der vielen neuen Energiefelder in die Planung zu integrieren.
Die aktuellen und zukünftigen Folgen der globalen Klimaerwärmung, das gleichzeitige steigende Wachstum der Weltbevölkerung und die Endlichkeit der fossilen Rohstoffe, führen zu einer immer intensiveren Auseinander- setzung mit den Themen der emissionsfreien Energiegewinnung. Dabei geht es auch darum, Energie nicht einfach durch Verzicht einzusparen, sondern den gewohnten Lebensstandard mittels Erneuerbarer Energien zu erhalten, ohne dabei Umweltschäden in Kauf nehmen zu müssen.

Die interdisziplinäre Aufgabenstellung verlangt nach Lösungen, die neben ihrer Aufgabe – der Produktion von Strom – auch einen ästhetischen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Mehrwert erfährt. Die Landschafts- architektur erhält durch die Energiewende die Chance sich damit selbst ein erweitertes Aufgabenfeld zu erarbeiten. Begriffe wie Sozial Design, Nutzung von Standortpotentialen zum Beispiel Thermik, Licht, Biomasse, nutzbare Nebeneffekte der Infrastrukturen gewinnen dadurch zunehmend an Bedeutung.

Kinetische Energien, die bei der alltäglichen Nutzung städtischer Strukturen stets durch die Benutzer selbst bereitgestellt werden, können auf einfachem Weg bereichernde, sinnliche und nützliche Ergebnisse produzieren. Dies umschreibt ein neues Selbstverständnis, in dem Energie als immanenter Bestandteil des urbanen Lebens lesbar und nutzbar wird.

In der Planungspraxis handelt es sich zumeist um punktuell begrenzte Planungsinterventionen, bei denen die energiegewinnenden Maßnahmen immer nur begrenzte Energiekapazitäten als Gewinn generieren können. So kann jede energietechnische Gestaltung nur einen Teil zum Gesamtvolumen einer städtischen Stromversorgung beitragen, was die einzelne Intervention jedoch nicht sinnlos oder minderwertig macht. Im Gegenteil, hier liegt der besondere Reiz dieser individuellen Gestaltungskraft , welche die Alltagsbewegungen einer Stadt zu einem wichtigen Teil der Gestaltung werden lassen. Durch alltägliche Bewegungen einer Stadt, die quasi aus sich selbst heraus Energie generiert und verwendet, wird der Gedanke einer lebendigen Stadt durch die direkte Umsetzung ihrer eigenen Dynamik zu einem Ort des Lichts und der Wärme, die Beuys mit dem Begriff  der Sozialen Plastik schon 1982 mit seinem Werk der 7000 Eichen in Kassel auf der Documenta 7 initiiert hat. Um diesen Zusammenhang zwischen Landschaftsarchitektur, Stadtgestaltung, Kunst und Energie zu vertiefen und verständlich zu machen, gilt ein besonderes Augenmerk  Josef Beuys, der den Begriff  der Sozialen Plastik ins Leben gerufen und den erweiterten Kunstbegriff  mit der Fachdisziplin Landschaftsarchitektur auf sehr direkte Weise interdisziplinär verbunden hat. 

 

Wenn das Thema Erneuerbare Energie in der Stadt politisch oder planerisch in den Fokus gerät, wird das in vielen Diskussionen mit dem Begri der Smart Cities verknüp . Das Interesse in der Nachhaltigkeitsdebatte liegt oft  in Lösungen in Form von intelligenten Steuerungssystemen, Einsparpotentialen und besserer Technik. Diese komplexen Systeme verlangen im städtischen Kontext nach bedarfsgerechten Lösungen. Sie gehen einher mit einer möglichst lückenlosen Datenerfassung von Umwelt und Nutzern. Diese liegen dann in den Händen von Erzeugern, in Form der großen Energiekonzerne, die möglichst zentral und potent Bedarf und Erzeugung abgleichen und die benötigte Energie bereitstellen können. Die marktwirtschaftlichen Interessen liegen auf der Hand. Ein Industriezweig für den sich durch eine Dezentralisierung bei der Stromerzeugung im regenerativen Sektor die Erschließung der Märkte zunehmend schwieriger gestalten würde, erschließt sich hier neue Handlungsfelder. Der Begriff  Smart City beschreibt die Vernetzung und Integration verschiedenster Bereiche einer Stadt. Ihre intelligent organisierte Infrastruktur und die Verwendung ressourcen-schonender technischer Systeme und Strukturen nutzt Systeme, welche den Herausforderungen des schnellem Wachstums, urbaner Transformation und Zukunftsfähigkeit gewachsen sind. Die planerischen Lösungen des Smart City Konzeptes sorgen für wichtige Weichenstellungen bei der Entwicklung moderner Städte, die längst Einzug in die Entwicklungsstrategien vieler Regierungen und Verwaltungen gehalten haben, auf ihrem Weg in eine postfossile Gesellschaft . (Hatzelhoffer et al. 2011: 10)

Sabine Kraft  beschreibt in ihrem Beitrag der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift  Arch+, mit dem Titel Planetary Urbanism, die Kosequenzen einer datenüberladenen digitalen Steuerung der Welt. Im Hintergrund der physischen Welt existiert ein digitales System. Diese „immateriale Metastruktur“ (Kraft 2016: 13) bleibt vielfach unsichtbar und ist nicht neutral. Sie erzeugt eine Fülle von Daten und bietet auf Grund ihrer Unübersichtlichkeit und scheinbar beliebigen Interpretierbarkeit auch enorme Risiken. Die Verschränkung der physischen mit der digitalisierten Welt wird ein immer komplexeres und schwer zu durchschauendes Thema.

Der Ansatz des Energyharvesting bietet jedoch aus den immanenten Potentialen der Stadt direkte, physische Lösungen an. Diese Lösungen können kleinteilig und bedarfsgerecht funktionieren. Sie bieten an, das Potential  modular und autark zu nutzen. Temporärer Bedarf an Energie kann schnell und umweltschonend bereitgestellt werden. Bei den Beispielen für Energieharvesting Formen wurden auch Modelle zur mobilen Nutzung vorgestellt. Module, die an schwierig zu erreichenden Orten für Licht, Wärme oder andere Energieversorgung sorgen können, bieten sowohl Möglichkeiten im Hinblick auf Sozial Design und Daseinsvorsorge, können sowohl das Fitness-, Bewegungsinteresse und Veranstaltungen, aber genauso alltägliche Bewegungen im urbanen Umfeld bereichernd nutzen. 

 

Die vorgestellten Interventionen sind für den Ort und die Anfrage des Auftraggebers unter der Berücksichtigung der speziellen Rahmenbedingungen gewählt. Über den Bezug zum integrierten Handlungskonzept für die Stadt Mülheim an der Ruhr und dem daraus hervorgehenden Maßnahmenkatalog wurden dabei die Handlungsfelder abgesteckt. Dem Interesse des Aufraggebers nach einer Inszenierung wurde versucht im Sinne der Strahlkraft  der Planung Rechnung zu tragen.

In einem anderen Kontext sind sicher stillere, kleinteiligere Lösungen die richtige Antwort auf urbane Fragen.
Das Energyharvesting bietet interessante Potentiale, gerade auch im Kleinen, um direkte Lösungen unter Beteiligung der Bevölkerung und deren Engagement für das Leben in der Stadt zu finden. Gerade auch im Hinblick auf den globalen Prozess der Verstädterung der sogenannten Megacities eröffnet sich ein weites Feld für planerische Kreativität.

Die Weiterentwicklung der Technik geht voran und wird neue Möglichkeiten hervorbringen vorhandene Potentiale energetisch effizient zu nutzen.

Die kompakte Stadt der Zukunft  wird ihren Beitrag leisten zur direkten Versorgung ihrer Einwohner. Dies gilt auch für die Erzeugung von Nahrungsmitteln, die Wiederverwendung von Roh- und Reststoffen.
Der Metabolismus der Stadt impliziert die Kreisläufe der Natur im über
tragenen Sinne in das Wirkgefüge der Stadt. Begriffe wie Urban Mining, Cradle to Cradle und Urban Farming beschreiben die nachhaltige Nutzung von immanenten Potentialen in der direkten Umgebung des Einzelnen. Die Sehnsucht der Menschen nach kleinteiligen, überschaubaren dezentralen Lösungen, in denen Platz für den Einzelnen und sein Engagement ist, lässt den Urbanitätsgedanken zum einem renewable - sich ständig neu erfindenden und im menschlichen Maßstab impulsgebenden Motor werden. Heterogenität ist dabei ein wichtiger Faktor, der Resilienz gegen äußere Einflüsse durch Vielschichtigkeit bewirkt. Teilhabe an der Gestaltung und Nutzung des öffentlichen Raumes auch durch informelle und temporäre Nutzungsformen sind dabei eine wichtige Voraussetzung. Die Macht der einfachen Tat, die kollektive Bündelung von Interessen Gleichgesinnter sind dabei wichtige Themen.

Die soziale Plastik, die Wärmeplastik, die im beuysschen Sinne, von Achtung und Empathie durchwirkt, das soziale Leben erfüllt und zur Teilhabe an den Gestaltungsprozessen jeden Einzelnen ermutigt, ist hier mehr als nur eine krude Vision und nicht mehr und nicht weniger als die Kunst des Zusammenlebens auf Augenhöhe in einer komplexen Welt.